Runtasia Infokanal: Laktattest – 10 Gründe wieso er nicht das Mittel der Wahl ist [5]

Samstag, 12. März 2011

Laktattest – 10 Gründe wieso er nicht das Mittel der Wahl ist [5]

Den zweiten Laktattest, den ich in dieser Serie präsentieren will ist von einem Sportler, der im Laufe seiner Karriere bereits sehr viele Laktattests machte. Er ging sogar weiter und wollte genau wissen, wieso diese Tests bei ihm nicht wirklich funktioniert hatten. Dieses Beispiel zeigt, dass man nach vielen zusätzlichen Tests auch über die Laktatmessung sehr aussagekräftige Werte erhalten kann. Dazu braucht man aber sowohl die finanziellen als auch zeitlichen Kapazitäten sowie einen kompetenten Diagnostiker, der sein Handwerk versteht!



Ein paar Eckdaten zum betroffenen (Hobby)Sportler:
Er betreibt den Laufsport ernsthaft bereits seit 1998 und ist ein erfahrener Marathonläufer (Teilnahme an 11 Marathons) und Ultramarathonläufer (Wettkämpfe bis zu 100km).
Laktattests im Zeitraum von ca. 5 Jahren in seiner besten physischen Form
Alter (im Testzeitraum) 25 bis 30 Jahre
Ziel: Marathonlauf unter 3 Stunden

Auswertung Laktattest 1. Jahr

Der erste Test wurde (strategisch gesehen unnötig, weil viel zu spät in der Vorbereitung! aber für unsere Betrachtung sehr hilfreich) zwei Wochen vor seiner ersten Marathonteilnahme durchgeführt. Das Ergebnis lautete:
Wenn man annimmt, dass ein Marathon mit einem Laktatwert von etwa 2 bis 3mmol gelaufen werden kann, dann könnte man nach diesem Ergebnis eine Zeit von 4h02' bis 4h24' erreichen. Mit dem Wissen, dass es die erste Teilnahme an einem Marathon ist, wurde die realistische Zeit eher an der 2mmol-Grenze angelegt. Zwei Wochen vor dem Wettkampf sollte man doch meinen, dass ein Leistungstest eine ziemlich genaue Vorhersage für die Wettkampfgeschwindigkeit zulassen würde - zumindest wenn dieser Test zuverlässig ist!
Das persönliche Ziel des Sportlers war jedoch die Grenze von 3h30' zu unterschreiten - eine Differenz von 2km/h bzw. einer Minute am Kilometer.
Den ersten Marathon lief er schlussendlich in 3h38' - und das nur, weil er sich zu Beginn an die Empfehlung des Diagnostikers hielt!

Auswertung Laktattest 3. Jahr

Der zweite Test wurde zwei Jahre später in einem anderen Institut gemacht. Seine damalige Marathonbestzeit war bereits bei 3h09', die er 6 Wochen vor dem Test aufgestellt hatte. Das entspricht einem Tempo von knapp unter 4:30 min/km oder 13,4km/h.
Das Ergebnis zeigt, eine massiv fehlende Grundlagenausdauer (2mmol Grenze bei nur 5,8km/h). Die anaerobe Schwelle lag damals bei 10,2 km/h bzw. 5:52 min/km. Auch hier geht das Ergebnis mit der tatsächlich erbrachten Leistung weit auseinander.

Wenn man annimmt, dass in der Übergangsphase nach dem Marathon etwas an Leistungsfähigkeit abgebaut wurde, kann man sich den Test etwas schönreden - keine Argumente für diesen Sportler, der eine Woche nach diesem Test an einem Halbmarathon teilnahm. Er kam mit 1h25' ins Ziel! Keineswegs hatte er an Form verloren! Der Laktattest hätte ihm für den Halbmarathon eine Geschwindigkeit von etwa 8,4km/h vorgegeben - in Wirklichkeit konnte er eine Geschwindigkeit von knapp 15km/h laufen!
Mit diesem Ergebnis beließ er es mit der Trainingssteuerung über Laktattests, da er keine brauchbaren Ergebnisse daraus erhielt. 

Auswertung Laktatstufentest 3. Jahr

Weitere zwei Jahre später kam er zu einem Diagnostiker, der sich für diese unbrauchbaren Laktattests interessierte und genauer nachforschen wollte, wie man diesem Sportler doch noch helfen könnte. Leider wurden diese Tests nur am Ergometer gemacht, aber sie bestätigen dennoch, wie wichtig es ist, mehrere Laktattests mit unterschiedlichen Herangehensweisen und Methoden anzuwenden.

Der erste Test dieser Serie war ein Stufentest am Ergometer - Beginn bei 20 Watt und einer Steigerung pro Minute um 25 Watt. Der Sinn dabei war, viele Belastungsstufen zu erreichen, um eine "schöne" Laktatkurve zu erreichen. Dazu musste jedoch als Kompromiss die Belastungsdauer gesenkt werden.
Welche Rückschlüsse konnten aus diesem Test gezogen werden?

  1. Erstaunlicherweise wurde bereits nach der ersten Stufe eine Laktatkonzentration von über 2mmol erreicht
  2. die anaerobe Schwelle wurde bei einem Puls von 137hz ermittelt (zu dieser Zeit lief dieser Sportler Ultradistanzen mit einem Puls von knapp 160hz über 10 Stunden!)
  3. Es wurde ein maximales Laktat von über 20mmol erreicht, was eigentlich typisch für einen 800m-Läufer, nicht aber für einen Langstreckenläufer üblich wäre.

Das war auch wieder ein typischer Laktattest für diesen Sportler. Normalerweise würde man auch hier zum Ergebnis kommen: fehlende Grundlagenausdauer bis hin zu "das gibt's nicht", wenn man die tatsächlich erbrachten Leistungen präsentiert.

Verlauf Laktatkonz. (Skinner 1980)
Nicht aber in diesem Fall!
Da mit diesem Stufentest insgesamt 17 Laktatwerte ermittelt wurden, bekommt die Kurve eine ganz andere Genauigkeit bzw. Verlässlichkeit, was den Verlauf betrifft. Eine Theorie besagt nämlich, dass die Laktatkonzentration bei gleichmäßig steigender Belastung (ähnlich wie bei einer Rampe) an zwei Punkten von einer linearen Steigung abweicht. An diesen beiden Punkten wird die individuelle aerobe und anaerobe Schwelle angesetzt. Diese Punkte werden als "Laktat Turn Point" (LTP) bezeichnet.
In unserem Fall bedeutet das: der LTP1 (aerobe Schwelle) liegt bei 3,2 mmol und 184 Watt und der LTP2 (anaerobe Schwelle) liegt bei 8,1 mmol Laktat und knapp 300 Watt.

Wie schon in einem der letzten Berichte ausführlich beschrieben, besteht einerseits bei kurzen Belastungsstufen die Gefahr, dass sich das Laktat nicht vollständig im Körper verteilen kann und andererseits gilt es, die anaerobe Schwelle (auch wenn sie individuelle ermittelt wurde) mit einem Dauerbelastungstest (MaxLass) zu bestätigen. Der Stufentest gilt dazu nur als Orientierungshilfe.

Der erste MaxLass wurde bei der ermittelten anaeroben Schwelle mit 295 Watt angesetzt. Das Ergebnis zeigte, dass diese Leistung vom Sportler nicht einmal für 30 Minuten durchgehalten werden konnte - eindeutig zu hohe Belastung!
Eine Woche später wurde der Test bei 270 Watt angesetzt. Nach 30 Minuten stellte sich noch kein "steady state" ein. Das Laktat stieg bis zum Schluss auf einen Wert von 15,5 mmol - die Belastung war noch immer zu hoch!
Eine weitere Woche später der selbe Test mit 240 Watt. Hier zeigte sich, dass sich das Laktat in den letzten 15 Minuten bei 7,4 bis 7,7 mmol einpendelte.

Das Endergebnis war:
Dieser Sportler ist in der Lage, eine Dauerleistung bei einer viel höheren Laktatkonzentration als es die Wissenschaft erlaubt (beinahe die doppelte!) zu bewältigen. Das ist auch der Grund, wieso bei ihm bisherige Laktattests nie eine brauchbare Trainingsempfehlung geben konnten.

Dass bei diesem Sportler die Berechnung des "Laktat Turn Point" erfolgreich war, kann jedoch nicht der Weisheit letzter Schluss sein! Es haben sich viele unterschiedliche Modelle entwickelt, die alle ihre Aussagekraft haben - wenn man die richtige Methode gewählt hat. Das weiß man aber meist erst im Nachhinein!
Nicht jeder Mensch funktioniert gleich, nicht jeder muss der Norm entsprechen! Gerade bei Trainingsempfehlungen für den einzelnen gehört mehr dazu, als einem Mittelwert zu folgen. Natürlich sind diese beiden Negativbeispiele Ausreißer der Norm - aber wie viele sind es nun wirklich? Wer weiß, ob sein Laktatverhalten nicht auch etwas anders ist und er deshalb oder vielleicht gerade weil er den Test gemacht hat, nicht effizient trainiert?


Die hier präsentierten Tests sind nur ein Ausschnitt der tatsächlich durchgeführten Tests. Es wurden lediglich die markantesten Beispiele besprochen. Einen Test will ich den Lesern aber nicht vorenthalten, der gezeigt hat, was stümperhafte Diagnostiker teilweise produzieren:

Durchgeführt wurde eine äußerst professionelle  medizinische Laktatdiagnostik inklusive einer Spiroergometrie (Ruhe-EKG, Belastungs-EKG, Blutdruckmessung, Atemgasanalyse, Laktatdiagnostik)

Sehr überrascht war der Diagnostiker, als bereits bei einem Puls von 108hz ein Laktatwert weit über der aeroben Schwelle erreicht wurde. Die hochtechnologische Auswertung ergab dann ein Grundlagentraining mit einem Puls von 104 bis 105hz, ein Basistraining mit 104 bis 105hz und ein intensives Ausdauertraining bei 101 bis 104hz - Hä?! Das kam auch dem Tester etwas spanisch vor und gab als Trainingsempfehlung: "Trainieren Sie bei 130 bis 140 Puls - wenn Sie mehr in diesem Bereich trainieren, dann werden Sie schneller"

2 Kommentare :

  1. Ganz einfach: Niemals dürfen absolute Laktatkonzentrationen zur Bestimmung der Schwellenleistung genommen werden. Das ist aber seit 30 Jahren schon bekannt! Zudem ist immer sportartspezifisch zu testen! Kein Läufer aufs Radergometer, bitte.

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    1. Ganz deiner Meinung! Auch wenn das schon jahrzehnte bekannt ist, wieso wird es noch immer so angewandt? Es gibt keine vernünftige Alternative dazu...dann nehmen wir eben die absoluten Werte, die sind wenigstens leicht zu merken ;-)

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