Sonntag, 21. April 2013

Niemand läuft einen Marathon - und doch laufen viele!

Zeitnah zum Vienna City Marathon möchte ich noch einmal das Thema „Marathon“ behandeln und ein paar Statistiken dazu präsentieren. Denn nach wie vor ist der Marathon ein Phänomen – für nur wenige Ausgewählte.

Laut einer aktuellen Spectra-Studie aus dem Jahre 2012, laufen in Österreich mehr als 900.000 Menschen zumindest regelmäßig einmal pro Woche und noch einmal so viele gelegentlich. Somit sind etwa ¼ der Österreicher laufend aktiv. Nehmen wir einmal an, dass die Befragten nicht "erwünschte Antworten" gaben und die Statistik wirklich repräsentativ ist. Diese Zahl stagniert zwar seit 12 Jahren, zeigt aber, dass es ein Massenphänomen ist!

Teilnehmer VCM
Dieses Phänomen spiegelt sich auch in diversen Laufveranstaltungen wider. Der Frauenlauf ist in wenigen Wochen ausgebucht (30.000 Teilnehmerinnen) und auch beim Vienna City Marathon wird ein Rekord nach dem anderen gebrochen: heuer wurden beim 30jährigen Jubiläum insgesamt mehr als 41.000 Nennungen verzeichnet. Soviel wie noch nie zuvor! In der Grafik nebenan ist der enorme Anstieg der Teilnehmer seit Beginn des VCM im Jahre 1984 deutlich ersichtlich. Und er scheint kein Ende zu nehmen. Heuer musste der Veranstalter sogar zugeben, dass die Veranstaltung keine weitere Steigerung der Teilnehmer verträgt, wenn man die Qualität halten möchte. In einem Nebensatz wurde auch gleichzeitig erwähnt, dass sie nun „bei den Großen angekommen“ seien und bereits mit New York oder London vergleichbar wären.

Finisher in % der Teilnehmer
Der Unterschied von Wien zu „den Großen Bewerben“ ist jedoch, dass in New York, Berlin oder London „echte“ Marathonveranstaltungen ausgetragen werden und tatsächlich 40.000 Marathonläufer an den Start gehen. Beim Vienna City Marathon sind dieses Jahr schlussendlich nur 6.872 Finisher für die volle Marathondistanz registriert worden. Das sind gerade einmal 1/6 der gesamten Nennungen. Der Rest teilte sich auf Staffel- und Kinderläufe sowie den Halbmarathon auf. Seit Beginn des Vienna City Marathons stieg zwar die Teilnehmerzahl, doch in Relation liefen immer weniger den Marathon selbst. Somit ist diese Veranstaltung in den letzten Jahren eher zu einem (sehr großen) Volkslauf geworden, der als Nebenevent einen Marathon anbietet.

Marathonläufer absolut
Auch wenn die meisten Läufer von einem Marathonlauf sprechen oder wenigstens davon träumen, es gibt insgesamt nur wenige, die tatsächlich einen bewältigen. Auf Marathon Austria findet man eine genaue Auflistung aller österreichischen Marathonläufer seit den 60er Jahren. Hier werden auch internationale Bewerbe mit berücksichtigt. Im Jahr 2012 zum Beispiel sind 211 Marathonveranstaltungen in die Datenbank eingeflossen. Eine Zahl, die jährlich steigt, doch die Anzahl der Teilnehmer selbst fällt jedoch kontinuierlich in den letzten 10 Jahren. Im letzten Jahr gab es insgesamt nur gute 10.000 Marathon Finisher aus Österreich. Dabei wurden Mehrfachteilnahmen nicht berücksichtigt. In Wirklichkeit kommen sogar noch deutlich weniger bei einem Marathon ins Ziel!

Gräbt man in dieser Datenbank noch etwas tiefer, so sieht man, dass lediglich 65.670 einzeln gezählte Läufer einen Marathon bestritten…und das insgesamt seit 1960!

Was möchte ich mit diesen Zahlen vermitteln?
  1. Laufen ist ein stagnierender Trend – Neueinsteiger und Aussteiger halten sich die Waage
  2. Volksläufe werden immer populärer und für die Masse attraktiver
  3. Jeder, der einen Marathon gelaufen ist, dem gebührt Anerkennung – sie zählen zu den wenigen, die es geschafft haben
  4. Der Vienna City Marathon wird seinem Namen nicht gerecht und müsste auf „Vienna City Lauf“ umbenannt werden

12 Kommentare:

  1. Hallo Walter,

    ich stimme dir voll und ganz zu: höchster Respekt allen Marathonläufern! Diese Strecke laufend zu bewältigen, ist aus meiner Sicht wirklich eine herausragende Leistung.

    Nichts-desto-Trotz gebührt den "nur" Hobbyläufern ebenso volle Anerkennung. Wer sich regelmäßig sportlich betätigt, etwas für seine Fitness/Gesundheit tut und fallweise den inneren Schweinehund überwindet, hebt sich deutlich von der breiten Masse ab. Denn, pardon, dass 1/4 der Österreicher laufend aktiv ist, glaub ich nie und nimmer.

    Liebe Grüße, we keep on running :-)
    Diana

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    1. Genau! Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass EIN VIERTEL der Österreicher zumindest gelegentlich laufen...und schon gar nicht, dass knapp 1.000.000 Menschen regelmäßig (zumindest einmal pro Woche!) laufen gehen. Das ist so wie mit der an 2. Stelle liegenden Freizeitbeschäftigung "Schwimmen" - für die meisten ist damit "baden gehen" oder "am Strand liegen" gemeint.

      All jene, die es aber tun, denen sieht man es am Gesichtsausdruck an: strahlend, gesund, positiv, braun,...und die meisten, ohne dass sie einen Marathon gelaufen sind! ;-)

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  2. Lieber Walter,
    der Link zu marathonaustria.at funktioniert leider nicht...

    mlg,
    christoph

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  3. Das mit dem Marathon sehe ich genauso! Viele sehen die Distanz als einzige anstrebbare. Und dann realisieren sie, dass es doch nicht so einfach ist, sich vernünftig auf den Marathon vorzubereiten. Verletzungen (teilweise dauerhafte!) begleiten die Läufe dann oft auf lange Zeit!

    Die Vorbildwirkung des VCM darf man aber nicht unterschätzen! Auch wenn nur wenige die volle Distanz zurücklegen, es werden Massen bewegt und manche finden gerade dadurch den Zugang zum langfristigen Laufen. Ich bin jedenfalls sehr froh, dass ich dieses Jahr dabei sein durfte. Auch wenn nur in der Staffel!

    Liebe Grüße, Angie

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    1. Hallo Angie!

      Freut mich, dass es dir beim heurigen VCM so gut gefallen hat. Natürlich ist der VCM enorm wichtig fürs Laufen...rein schon von der Medienpräsenz! Ich möchte ihn auch nicht missen, da es immer etwas Besonderes ist, durch unsere Stadt zu laufen - ohne Verkehr und bei einem sehr gut organisierten Lauf!

      Mir geht es nur darum, dass der Mythos Marathon in Wirklichkeit keiner ist. Ähnliche Zahlen zeigte ja auch der Linzmarathon letztes Wochenende: offiziell 16.500 Starter und nur 866 Marathonfinisher (nur gut 5%!!!!!)

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  4. Genau!!!
    Wobei, angesichts oben genannter Zahlen ist der Mythos Marathon vielleicht doch einer - also ein Mythos. Und, je weniger ihn laufen, umso mehr bleibt er einer!
    Es sei denn, der Begriff Mythos bezieht sich auf die angeblich boomende Teilnehmerzahl. Dann würde ich dir recht geben, denn die Definition sagt: Person, Sache, Begebenheit, die (aus meist verschwommenen, irrationalen Vorstellungen heraus) glorifiziert wird, legendären Charakter hat.

    LG, Diana

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  5. Herbert Steffny zieht auch jährlich eine "Marathonbilanz" und hat dabei einen langjährigen Rückwärtstrend bei der Anzahl Europäer festgestellt, die eine Spitzenzeit laufen können. Das ist sehr Schade.

    Ich fände eine Auswertung mit Einbezug von Halbmarathon, 10 km-, 5 km-Läufen sehr interessant. Vom "Gefühl" her denke ich, dass es eine Verlagerung vom Marathon zum Halbmarathon gegeben hat - und nicht zu den Volksläufen?

    (Ein Volkslauf ist für mich ein organisierter Lauf ohne Zeitmessung.)

    Beste Grüsse,
    Werner

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    1. Der Begriff des "Volkslaufs" ist vielleicht übertrieben. Ich meinte damit eine Laufveranstaltung, bei dem keine internationalen Spitzensportler eingeladen und fürs Laufen bezahlt werden. Aber das hat Interpretationsspielraum! ;-)

      In diesem Bericht bin ich überhaupt noch nicht auf die Zeiten eingegangen. Danke für den Wink - ich denke, da könnte man noch eine tolle Statistik daraus machen. Denn auch da wird eine große Diskussion geführt! Der Spitzensport bricht eigentlich vollständig weg. Es gibt nur noch wenige österreichische Ausnahmeerscheinungen, die aber international nicht mithalten können. Die besten Österreicher sind ja eigentlich unter "ferner liefen" ins Ziel gekommen - Männer 2:35, Frauen 2:57

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    2. Ich sehe gerade, dass ich den Begriff Volkslauf mit Funlauf verwechselt habe. Wieder etwas gelernt - Danke!

      Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, finde ich die Entwicklung sehr befremdlich. Bei der Basis gibt es einen Aufwärtstrend (Entwicklung der Anzahl Volksläufer), die Spitze stagniert jedoch.
      Da läuft doch etwas schief in der Sportförderung?
      Was wurde vor 10 Jahren im Gegensatz zu heute besser gemacht? (2002 gab es am meisten Marathonteilnehmer gemäss deiner Grafik).

      Daher finde ich den Namen "Vienna City Marathon" gut gewählt. Das vermittelt, dass der Marathon die Königsdistanz ist.

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    3. Anfang der 2000er gab es in Wien noch keinen Halbmarathon, sondern "nur" eine ungewöhnliche Distanz mit etwa 15km als Nebenveranstaltung. Das kann mitunter auch ein Grund sein, wieso hier immer weniger Marathonläufer ins Ziel kommen. Auch die Möglichkeit, den Marathon bereits bei der Hälfte beenden zu können, schmälert die Finisherzahl. Ich denke aber nicht, dass dies der Hauptgrund dafür ist. Vielleicht ist er einfach nicht mehr so attraktiv? Laufen immer mehr Triathlon oder sind Ultrabewerbe interessanter? Auch Adventure-Bewerbe oder Trailrunnings werden immer beliebter? Mal sehen, was die nächsten 10 Jahre bringen werden!

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