Runtasia Infokanal: Der falsche Laktattest

Sonntag, 1. Juni 2014

Der falsche Laktattest

Die regelmäßigen Leser des Runtasia Infokanals kennen ja bereits meine Einstellung zum Laktattest. Auch wenn dieser Test für manche Leistungssportler ein gutes Instrument fürs Fine Tuning ist, für die meisten Hobbysportler ist er nicht der richtige Test, um die Leistungsfähigkeit zu beurteilen oder die individuellen Trainingsbereiche zu ermitteln.

Überall wird von Leistungsdiagnostik im Laufsport geredet und meist wird damit der Laktattest gemeint. Jeder soll seine Form überprüfen und seine individuellen Pulsbereiche ermitteln. Denn ohne Test bzw. nur über Faustformeln ermittelt, trainiert man falsch und erreicht sein gestecktes Ziel nicht oder nur schwerer. Ich bin aber der Meinung, dass gerade der Laktattest deutlich mehr zur Verwirrung bei Sportlern beiträgt als gar kein Test!

In letzter Zeit sind mir nämlich wieder ein paar Laktattests unter die Finger gekommen, mit denen enttäuschte Sportler bei mir Rat suchten. Diese möchte ich dir nicht vorenthalten und anhand einiger Beispiele die Problematik der Laktatmessung noch einmal verdeutlichen.

Unser erstes Testobjekt: 

Mann, 32 Jahre, maximale Herzfrequenz: 194 Schläge, 2 Laktattests am Ergometer im Abstand von genau 2 Jahren

1. Test: 

Dieser Test wurde in einem noch einigermaßen untrainierten Zustand durchgeführt. Das Protokoll wurde bei 50 Watt begonnen und eine Steigerung von 50 Watt alle 3 Minuten gewählt.
Seine individuelle anaerobe Schwelle (4mmol) wurde bei einem Puls von 124 Schlägen ermittelt. Als Maximalwerte erreichte er einen Puls von 179 Schlägen und einen Laktatwert von 10,3mmol/l. In der Tabelle neben sieht man die Ergebnisse und die Trainingsempfehlung. Fürs Laufen gelten dieselben Bereiche plus 10 Schläge.

Wo das Problem ist: 

Bereits beim ersten Laktattest fällt auf, dass er seine angebliche „individuelle anaerobe Schwelle“ bei einem sehr niedrigen Puls hat. Als logische Schlussfolgerung bekommt er natürlich auch das Resultat „schlechte Grundlagenausdauer“.

2. Test: 

Genau 2 Jahre später wurde dieser Test noch einmal durchgeführt. Das Protokoll änderte sich (wieso auch immer) etwas, indem die erste Belastungsstufe bei 100 Watt gewählt wurde. Der Sportler trainierte in dieser Zeit sehr konsequent und konnte zu diesem Zeitpunkt den Halbmarathon in 1:47 Stunden mit deinem Durchschnittspuls von 179 Schlägen laufen. Der zweite Test viel laut Diagnostiker deutlich schlechter aus als der Test 2 Jahre davor.

Die maximale Herzfrequenz wurde wieder mit 179 Schlägen ermittelt und die maximale Laktatkonzentration war auch annähernd gleich bei 11,3mmol. Die absolute Leistung fiel um ein paar Watt. Erstaunlich ist, dass beim zweiten Test keine Trainingsbereiche ermittelt wurden! Die Empfehlung lautete nur: „Trainieren Sie 10 Wochen mit einem Puls von 113 bis 125 Schlägen.“

Wo das Problem ist 

Der Sportler hatte beim zweiten Test bereits bei der ersten Belastungsstufe einen Laktatwert von über 4 mmol/l. Wenn die Basis der Berechnung jedoch 4 mmol/l ist, kann keine Trainingsempfehlung abgegeben werden. Der Diagnostiker muss sich quasi eingestehen, dass dieser Sportler „nicht trainierbar“ ist, weil er keine Möglichkeiten für eine sinnvolle Empfehlung sieht. Auch das Wissen, dass der Sportler bereits ein relativ guter Halbmarathonläufer ist und er in der Lage ist, 1 ¾ Stunden durchgehend mit einem Puls von 179 Schlägen zu laufen, konnte er mit seinem Test nicht verknüpfen und war ratlos. Eine Standardempfehlung von „trainieren Sie mit diesem Puls und Sie werden besser“ ist die einzige Notlösung, die er in dieser Situation finden konnte.

Wieso diese Tests nicht zu gebrauchen ist:

  • Dass der Test am Ergometer durchgeführt wurde, ist im Prinzip nicht das Problem, da im Zuge dieser Testung nicht speziell aufs Laufen eingegangen werden konnte. Generell ist die Testung eines Läufers am Ergometer ein absolutes „No Go“!
  • Und wenn ich schon eine Person am Ergometer teste, dann muss ich die Belastungssteigerung pro Stufe so wählen, dass sie auch bewältigbar ist. 50 Watt pro Stufe sind für Spitzensportler geeignet, die über 400 Watt treten können, nicht aber ein Anfänger!
  • Die 100 Watt Einstiegsstufe bewirkte bei diesem Sportler eine extreme Laktatproduktion, die nicht mehr abgebaut werden konnte. Ist auch verständlich, dass dadurch auch der gesamte Test unbrauchbar wurde.
  • Unser Sportler konnte beim zweiten Test lediglich 3 ½ Stufen treten. Daraus ist niemals eine „Kurve“ zu ermitteln, sondern nur eine Gerade bzw. man kann die gemessenen Punkte verbinden.
  • Sollte die individuelle anaerobe Schwelle tatsächlich bei einem Puls von 125 Schlägen oder noch niedriger (nach dem zweiten Test) liegen, würde dieser Sportler mit diesem Puls keine Stunde durchlaufen können. Was er aber mehrmals bewiesen hat.
  • Die Trainingsempfehlung aus dem ersten Test ist für mich absolut unverständlich und nicht nachvollziehbar! Kann mir da jemand helfen?
    Wieso ist die „Regeneration und Fettverbrennung“ bei 35 bis 53%? Und vor allem von welcher Basis? Von 4mmol/l angeblich – das wären aber 1,4 bis 2,1mmol!
    Was bedeutet der intensivste Trainingsbereich „extensive Wiederholungen“ bei 100 bis 130%? Extensiv bedeutet für mich das Gegenteil von intensiv, als „nicht anstrengend“!?
    Und was passiert, wenn der Sportler mit einem höheren Puls als mit 149 Schlägen trainiert – ist das dann der „hyper-extensive Bereich“? 
  • Ein Trainingsbereich von 5 Schlägen ist unnötig, weil unmöglich einzuhalten! Jeder weiß, dass sich der Stoffwechsel innerhalb von 5 Schlägen nur wenig verändert, und dass ein derartig kleiner Pulsbereich in der Praxis nur schwer eingehalten werden kann.
  • Die Trainingsempfehlung aus dem zweiten Test ist genauso unverständlich, zumindest, wenn der Laktattest die Grundlage für diese Entscheidung war:
    Ein Puls von 125 Schlägen entspricht einem Laktatwert von 6mmol/l. Und das wird ja hoffentlich nicht der Grundlagenbereich sein?
    Auch wenn diesmal keine Trainingsbereiche ermittelt wurden – wieso ist der intensivste Bereich diesmal 100 bis 110% und heißt „Fahrtenspiel“?

Dieser erwähnte Sportler ist schon eine Ausnahme im Breitensport, denn er ließ einen zweiten Laktattest machen. Der typische Hobbysportler geht lediglich einmalig zur Leistungsdiagnostik, um seine individuellen Trainingsbereiche festzustellen. Nicht selten werden diese falsch beraten und niemand kann feststellen, ob das Ergebnis tatsächlich stimmt oder nicht! Du vielleicht auch schon einmal?

http://feedburner.google.com/fb/a/mailverify?uri=Runtasia&loc=de_DE



Tipp der Woche
Wenn's einmal ein Marathon werden sollte, dann musst du diesen Leitfaden gelesen haben. Dann kommst du sicher und verletzungsfrei ins Ziel und verlierst auf dem Weg dorthin nie den Spaß am Laufen

12 Kommentare :

  1. Ich sehe hier nicht das Hauptproblem beim Laktattest selbst sondern beim Laktattester bzw. -auswerter. Das ist ja haarsträubend.
    Beim Computer würde ich sagen: PEBKAC - Problem Exists Between Keyboard And Chair

    AntwortenLöschen
  2. Ich kann mich dem Kommentar von Klaus nur anschließen; ich machte bereits 3 Laktattests (allesamt in einem rennomierten Institut nahe Wien) und alle 3 Mal hat man mir in einem ausführlichen Gespräch unmittelbar nach dem Test den aktuellen Leistungsstand genau erläutert bzw. bei den beiden letzten Malen die Leistungsveränderung gegenüber dem Test davor erklärt.

    Man zeigte mir auch auf, auf welche Trainingseinheiten ich mich hinsichtlich meines selbst gesteckten, einen Trainingsplan entfernten, Wettkampfzieles vermehrt konzentrieren solle und wie realistisch das Erreichen desselben ist. In 2 von 3 Fällen hab ich das Ziel geschafft (M in < 3:30 bzw. HM in < 1:40), beim Versuch, den HM unter 1:30 zu absolvieren war ganz einfach mein Ziel um ca. 4 1/2 Minuten zu hoch gesteckt!

    Die Tests wurden allesamt auf einem Laufband durchgeführt...

    Resümierend möchte ich mich 100%ig positiv zu den Laktattests aussprechen und wenn mal ein Bericht zu "gelungenen" Laktattests erscheinen soll, stelle ich meine Auswertungen gerne zur Verfügung! ;-)

    AntwortenLöschen
  3. Hallo Klaus! Hallo Manuel!

    Der Tester ist natürlich der wichtigste Faktor: Der Test ist nur so gut, wie viele Informationen er rausholen kann. Und wenn er die falschen Instrumente hat (Wissen, Geräte, Verständins,...), dann gibt's absolut falsche bzw. unbrauchbare Ergebnisse!

    Der Laktattest ist generell aber nicht "der falsche Test", sondern der Laktattest hat viele Problemstellen, die man nicht einfach mit 2 und 4mmol bewältigen kann. So werden bei dem Test wahrscheinlich der Großteil gut beraten sein (wie es bei euch offensichtlich der Fall war), die Extremfälle jedoch nicht. Und das meine ich, wenn jemand sagt, dass er "untrainierbar" sei.

    Ich prangere den Laktattest deshalb so an, weil die Masse an Läufern den Test nicht richtig planen - systematisch eingesetzt ist er ja nicht schlecht. Die Sportwissenschaft setzt ihn ja nicht umsonst ein! Die meisten würden jedoch keinen Test brauchen, sondern eine gute Trainingsbetreuung!!!

    AntwortenLöschen
  4. Ich kann deine Erfahrung nur bestätigen! Mein Test (einziger!) ist so ausgefallen, dass sie meinten, ich könne den Halbmarathon unter 1:20 Stunden laufen - ich halte das Tempo aber nicht einmal auf 10km (PB bei 41:05)!!!! Ich hätte Talend meinten sie :-)
    Was die Trainingsbereiche anbelangt, waren sie gefühlsmäßig aber ziemlich gut dran.

    Insgesamt war für mich der Test aber vollkommen unnötig, da ich keine neuen Erkenntnisse dadurch erhalten habe. Er hat mich zu Beginn zwar etwas gepuscht, da ich auch geglaubt hatte, ein Talend zu haben. Bis ich in die Realität zurückkehrte :-)

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Danke jedenfalls für deine Erklärungen,
      Hans

      Löschen
    2. Genau! Die Realität zeigt dir, wo du wirklich stehst. Gerade der Wettkampf ist die beste Leistungsdiagnostik. Analysiere lieber deine Wettkämpfe und du bekommst mehr Informationen als durch machen Leistungstest!

      Löschen
    3. Der Laktattest gibt ja auch nur Aufschluss über den aktuellen Stand Deines Herz-Kreislauf-Apparates... ich bin mir sicher, dass das Nicht-Erreichen des errechneten möglichen Zieles 100%ig ein muskuläres Problem war/ist!

      Löschen
  5. guten morgen walter,
    selten, bei deinen tollen artikel, aber diesesmal bin ich ganz anderer meinung. in deinem fallbeispiel ist eindeutlich der tester das problem. darüberhinaus schreibst du dann in deiner antwort auf ein post:

    "Ich prangere den Laktattest deshalb so an, weil die Masse an Läufern den Test nicht richtig planen."

    der test ist also schlecht, weil die leute die in machen (tester und getestete) fehler machen??? sorry walter, das ist unfair.

    ich bin vollkommen bei dir, dass der test nicht für jeden der ihn macht notwendig ist. ich bin auch nur ein hobbyläufer (marathon so 3:45) aber sowohl bei mir, als auch bei meiner frau und lauffreunden treffen die test perfekt das jeweilige leistungsvermögen (bei allen auf die minute genau) und sind eine große hilfe bei der trainingssteuerung.

    ABER
    wir setzen und genau damit auseinander, machen 3x im jahr ein update und sind bei einem (unserer meinung), topteam (sportordination).

    also bitte den test nicht schlecht machen, weil ihn viele falsch einsetzen oder eine komplett falsche erwartungshaltung haben.

    lg
    wolfgang

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hallo Wolfgang!

      Du hast vollkommen recht: meistens ist es der Tester, der den Laktattest falsch anwendet bzw. der Sportler selbst, der sich damit nicht auskennt.

      Dennoch birgt der Laktattest selbst einige Risiken - ich denke du hast die verlinkten Berichte gelesen? Man kann niemanden in eine Schublade stecken und sagen, so funktioniert der Mensch. Es gibt große individuelle Abweichungen und das ist auch gut so! Wenn ich nun einen Test anwende, bei dem nur ein einziger Parameter bestimmt wird, der dann auch noch mit fixen Punkten bewertet wird, dann wird's im Schnitt passen, aber nicht unbedingt für den einzelnen.
      Vergleiche es doch mit der Körpergröße: ein Mann ist im Schnitt 178 groß. Die meisten Männer werden ungefähr in diesem Bereich sein - 3 cm auf oder ab ist im Prinzip egal. Es gibt aber Männer, die sind 190cm groß oder nur 165cm...und genau für diese Menschen zählt der Mittelwert nicht! Welches Laktatverhalten nun jemand hat, das kann man aber nicht über die Körpergröße oder von der Nase ablesen...das erfährt man erst, wenn man mehrere Test gemacht hat!!!

      Dass bei dir und bei deinen Freunden der Laktattest funktioniert hat ist gut und vor allem ein Glück für euch. Du wirst mit dem Test auch weiterhin gut beraten sein, wie so mach andere auch. Ihr macht es aber auch regelmäßig - und das ist sicher der wichtigste Faktor. Der typische Läufer geht aus meiner Erfahrung heraus vielleicht überhaupt nur einmal!

      Ich bin mir sicher, du wirst auch die nächsten Berichte verfolgen, da kommen noch ein paar andere Beispiele :-)

      Löschen
  6. hallo walter,
    vielen dank für deine prompte antwort - ich freue mich schon auf deine nächsten beiträge zum dem thema laktattest.

    wir sind uns ja vom prinzip einig - nur bei der frage des hauptschuldigen sind wir unterschiedlichen ansicht. ich bin halt pinzipiell der meinung, dass man (egal um was es geht) unwissenheit der person nicht dem produkt/dienstleistung.... ankreiden darf.

    andererseits - wenn die tester ihren kunden klar sagen würden, dass ein einzelner test keinen sinn macht, würde ihnen gleich wieder geldmacherei unterstellt werden.....

    ein sonniges wochenden mit schönen läufen

    wolfgang

    AntwortenLöschen
  7. wenn hobbysportler schon zu medizinischen tests greifen um die leistung zu steigern dann ist es bis zu schmerzmitteln, epo, etc. nicht mehr weit. ich verstehe das ganze leider nicht, im sport ist das training das wichtigste, und ich denke das eine trainingsteuerung sehr gut ohne das auskommt! sonst hörts doch einfach auf oder machts was anders wenn es ohne zusätzliche medizinische hilfsmittel nicht geht.

    @Walter: machen die kenianer solche tests?

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Naja - vom Laktattest ist's doch noch etwas bis zum Epo! Medizinische Tests sind doch gut - wo ist da das Problem! Wenn ich zum Beispiel ein Blutbild machen lasse und ein Eisenmangel festgestellt wird, dann kann ich mit der dementsprechenden Therapie besser trainieren. Oder wenn du dir ein Ultraschall deines Herzen machen lässt und man draufkommt, dass die Klappen schlecht schließen, dann kann man präventiv handeln!

      Das Training ist natürlich das Wichtigste, doch viele wissen nicht bzw. sind sich darin unsicher, was/wie/wann sie trainieren sollen. Und da sind eben Tests hilfreich. Ich bin mir jedenfalls sicher, dass auch die Kenianer "solche Tests" machen, ob es der Laktattest ist, das bezweifle ich jedoch ;-)

      Löschen

Related Posts Plugin for WordPress, Blogger...
blogwolke Freizeit Paperblog eintragen